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Ü40 – REISEN & erLEBEN –

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Wenn Eltern alt werden – Pflegebedürftigkeit, Pflegestufen und Pflegebegutachtung

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Auch das gehört für die Altersklasse ü50 häufig zum Lebensalltag dazu. Die eigenen Eltern sind oder kommen in ein Alter, in dem sie zunehmend Hilfe benötigen. Rollen kehren sich um und während die eigenen Kinder das Haus verlassen, wird man in das Leben der alternden Eltern wieder mehr und mehr mit eingebunden. Eine Entwicklung die durchaus belastend sein kann. Ein Resümee.

Alternde Eltern bedeutet viele Veränderungen, für beide Seiten

Zum Glück passieren diese Veränderungen aber nicht über Nacht, so dass beide Seiten Zeit haben, sich langsam einzugewöhnen und auch, um ein anderes, sicherlich zunächst ungewohntes, Miteinander zu finden.

Ich kann mich noch gut an die Anfänge dieses Veränderungsprozesses zwischen mir und meinen Eltern erinnern, in denen es zunächst eher um Fragen des Reisens ging, vielleicht darum, zu erklären, wie das neue Handy oder der Computer funktioniert oder aber um die Frage, ob der Rasen noch selbst gemäht werden kann oder diese Aufgabe doch besser an einen Jungen aus der Nachbarschaft übertragen werden sollte. In der Regel waren solche Fragen schnell beantwortet. Was manchmal nervte war die Tatsache, dass vieles davon wieder und wieder durchdiskutiert werden musste, aber im Großen und Ganzen schlugen diese anfänglichen Themen nicht weiter ins Gewicht, weil sie den eigenen Lebensablauf nicht allzu sehr belasteten. In dieser Zeit wohnte auch meine eigene Tochter noch mit in meinem Haushalt, sodass wir uns über solche Alltagshilfen austauschen oder auch gegenseitig unterstützen konnten.

Mittlerweile aber geht es um weitaus mehr, als nur um kleine Alltagshilfen. Mein Handy ist Tag und Nacht an, weil ich in ständiger Rufbereitschaft lebe, um im Notfall schnell zur Stelle zu sein. Schon oft wurde ich mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen, habe mich schlaftrunken in mein Auto gesetzt und bin in der Dunkelheit zu dem Haus meiner Eltern gerast. Unterwegs habe ich während der rasanten Fahrt den Rettungsdienst alarmiert, habe dem „gesunden“ Elternteil am Telefon Handlungsanweisungen gegeben oder beruhigend auf ihn oder sie eingewirkt und bin dann zeitgleich oder wenige Minuten vor dem Notarzt, bei meinen Eltern eingetroffen. Solche Situationen sind in der Regel die schlimmsten, denn natürlich muss ich all das schaffen, während ich meine eigene Angst und Sorge in den Hintergrund stelle. Auch der Versuch bei einem Elternteil eine Blutung zu stillen, der blutverdünnende Medikamente nimmt (was schichtweg unmöglich ist), geht an die eigene Substanz. Doch für eigene Befindlichkeiten ist in solchen Momenten kein Raum. Aber bei genauer Betrachtung ist das eigentlich immer so.

Neben diesen Not- und Sonderfällen, zu denen ich auch Krankenhausaufenthalte zähle, werden auch die Fragen zu Alltagsdingen mehr und Corona war natürlich eine ganz besondere Herausforderung. Diese Entwicklung belastet mehr und mehr, die Alten und die Jungen.

Während meine alternden Eltern zunehmend an Selbstständigkeit verlieren und dies so gut es geht zu verdrängen versuchen, werde ich damit konfrontiert, dass es die Menschen, die ich als meine Eltern kannte, eigentlich in der Form schon lange nicht mehr gibt. Alte Verletzungen können nicht mehr besprochen oder geheilt werden, Bedürftigkeiten nicht mehr erfüllt werden. Die Rollen haben sich unumkehrbar vertauscht! Doch wann trauert man eigentlich um diese verlustreiche Entwicklung? Denn eigentlich verliert man die Eltern ja oftmals schon lange vor dem Zeitpunkt, an dem deren Leben tatsächlich endet.

 

Gespräche helfen?!

Normalerweise bin ich ein großer Freund guter Gespräche. Vieles lässt sich redend klären, lösen oder aus der Welt schaffen. Bei Gesprächen über das alt werden scheint diese goldene Regel außer Kraft zu sein. Zumindest erlebe ich das bei meinen Eltern vielfach so.

Notwendigkeiten Dinge zu regeln und Veränderungen anzustoßen werden so lange hinausgezögert, bis die eigenen Lebenssituation ein Handeln unumgänglich macht. Problematisch dabei ist, dass die eigene Handlungsfähigkeit dann mitunter aber bereits so stark eingeschränkt ist, dass die Handlungen selbst durch andere erledigt werden müssen, in dem Falle durch mich. Als (erwachsenes) Kind sieht man sich dann einer Erwartungshaltung gegenüber, die schier erdrückend zu sein scheint und bei der man die eigenen Grenzen immer wieder überdenken muss.

Ich selbst erlebe das als sehr belastend, mit meinen Eltern heute darüber zu reden ist sinnlos, denn es wird schlicht und ergreifend nicht mehr verstanden. Alt zu werden geht einher mit Verlust – hierzu gehört auch die Möglichkeit, sich in die Befindlichkeiten des Anderen hineinzuversetzen, diese mitzudenken und zu fühlen und vielleicht alternative Handlungsansätze zu finden.

Ich für meinen Teil habe hieraus Rückschlüsse für mein eigenes Leben gezogen, die später einmal die Beziehung zwischen meiner eigenen Tochter und mir entlasten sollen. Ich möchte meine Leben und auch meinen Lebensabend tatsächlich selbst regeln und ich weiß, dass ich die Weichen dazu jetzt stellen muss, denn jetzt bin ich in einem Alter, in dem ich Entscheidungen noch im Vollbesitz meiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten treffen und entsprechende Weichen stellen kann. Vorsorgevollmacht, altersgerechtes Wohnen und Handlungsoptionen für schwerwiegende Erkrankungen und deren Folgen – all das muss durchdacht und geregelt werden, wenn man sich diesen Themen noch angstfrei und einigermaßen objektiv nähern kann. Ich finde, dass jetzt dazu der allerbeste Zeitpunkt ist. Ich lerne aus aktuellen Erfahrungen, um es für meine eigene Zukunft und die meines Kindes besser zu machen.

Meine Eltern haben der Wahrheit, des älter Werdens, zu lange nicht in die Augen blicken wollen und jetzt, wo es keine Alternativen mehr gibt, lassen ihre Kräfte wirklich freie Entscheidungen nicht mehr zu. Das möchte ich für mich vermeiden, denn die Probleme die hieraus erwachsen sind vielfältig.

Das Haus ist nicht altersgerecht, ein entsprechender Umbau kann aber selbst nicht mehr initiiert werden. Der Wohnort ist nicht alterstauglich, ein Umzug würde zum jetzigen Zeitpunkt aber sicherlich auch nicht mehr verkraftet. Kochen kann niemand so gut wie die „Mama“, die ist kräftemäßig jedoch nicht mehr in der Lage dazu. Treppen können nicht mehr gelaufen werden, Arztgespräche oder Behördengänge werden nicht mehr oder nur unzusammenhängend verstanden. Einkäufe können nicht mehr getätigt und der eigene Haushalt nicht mehr bewältigt werden. Selbst der eigene Geburtstag wird zur Belastung. Die Liste die hier aufzuzählen wäre, scheint endlos, zumindest aber ständig zunehmend.

Ich weiß von vielen Frauen, dass sie ähnliche Situationen zu bewältigen haben. Überraschenderweise habe ich noch nie von einem Mann darüber gehört. Dabei gibt es doch sicherlich ebenso viele Söhne wie Töchter. Länderübergreifende Studien zu diesem Thema belegen meinen Eindruck. Es sind die Töchter, die sich kümmern, wenn nicht ausschließlich, dann aber zumindest mit dem weitaus größeren Anteil. Das wird auch heute noch so erwartet und auch wenn das Problem mehr und mehr erkannt wird, ist Abhilfe noch lange nicht in Sicht.  Ich selbst habe übrigens auch zwei Brüder. „Aber die haben ja so viel um die Ohren!“, O-Ton meiner Mutter.

Für mich und mein Leben habe ich deshalb schon jetzt entschieden, was zu regeln ist, das kläre ich heute oder leite es zumindest in die Wege. Aufschieben gilt nicht!

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Pflegestufe beantragen, damit Hilfe naht!

Entlastung bringt tatsächlich die Beantragung bzw. die Genehmigung einer Pflegestufe, denn mit dem Pflegegeld können externe Unterstützungsleistungen eingekauft werden. Aber auch das ist erst einmal kein einfacher und erst recht kein schöner Termin. Und auch das gilt wieder für beide Seiten.

Die Eltern müssen sich in all ihrer Schwäche zeigen, Dinge die gerne verschwiegen werden, müssen jetzt ans Tageslicht gebracht werden. Und als Kind, das längst die Beschützerrolle übernommen hat, kostet es ebenso viel Überwindung, Tatsachen offenzulegen, die sonst gerne mal unter den Teppich gekehrt werden. Mir selbst hat eine gute Vorbereitung geholfen, denn obwohl ich solche Procedere aus beruflicher Sicht gut kenne, ist es mit emotionaler Beteiligung, bei den eigenen Eltern, noch einmal eine ganz andere Herausforderung.

Also habe ich vorher sämtliche relevanten Arztberichte angefordert, aus diesen die Diagnosen herausgeschrieben und systematisch aufgelistet. In einem nächsten Schritt habe ich die entsprechenden Einschränkungen notiert, die aus diesen Diagnosen resultieren. Zudem habe ich ein Pflegeprotokoll angefertigt, und mich tatsächlich selbst über die Masse an Unterstützungsleistungen und den hiermit verbundenen Zeitaufwand gewundert, der sonst gerne mal im Alltag untergeht. All diese Unterlagen konnte ich dem Gutachter des Medizinischen Dienstes bei der Pflegebegutachtung vorlegen.

Dermaßen gut gerüstet war dieser Termin dann zwar immer noch stressbelastet für alle Beteiligten, aber ich konnte mir zumindest sicher sein, nichts zu vergessen. Auch wenn ich mich dennoch dabei ertappt habe, das eine oder andere herunterzuspielen oder meinen eigenen Anteil an den Unterstützungsleistungen zu bagatellisieren. Na ja, Einsicht ist ja zumindest mal der erste Weg zur Besserung, heißt es doch so schön. Früher haben meine Eltern immer gesagt: „Das bleibt einem nicht in der Kleidung hängen.“ Heute weiß ich, dass in diesem Spruch sehr viel Wahrheit steckt.

Tatsächlich wird mir immer bewusster, wie stark sich solche stressbelasteten Situationen auch körperlich und seelisch manifestieren. Körper, Geist und Seele sind eben eine untrennbare Einheit. Umso wichtiger ist es, dem Rechnung zu tragen. Und in diesem Sinne werde ich mich heute Abend selbst belohnen, für diese emotionalen, wie körperlichen Belastungen. Denn das gehört definitiv auch dazu, wenn Eltern alt werden – das eigene Leben nicht zu vernachlässigen oder zu vergessen! Die Qualität meines Lebens ist und bleibt letztendlich meine wichtigste Kraftquelle und zu weiten Teilen gilt das jetzt auch für meine Eltern.

Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht und wie geht ihr mit dem Altern eurer Eltern um? Habt ihr Unterstützung oder regelt ihr alles im Alleingang?

Ganz herzliche Grüße

Monika von Entdeckergreise

Autor: Monika Baum

Ü40 und Reise-Greis(in), außerdem (Spät-)Entdecker(in) und Abenteurer(in) aus Leidenschaft

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