Ich bin immer noch ganz geflasht, denn ich hatte das große Vergnügen die Türmerin von Münster höchstpersönlich kennenzulernen und gemeinsam mit ihr auf den Turm der St. Lambertikirche zu steigen. Dort habe ich nicht nur in der Türmerstube gesessen und ihren spannenden Geschichten gelauscht, ich bin sogar gemeinsam mit der Türmerin, in schwindelnder Höhe, die Runde um den St. Lambertiturm gegangen, während sie ihr allabendliches Ritual vollzog und in drei Himmelsrichtungen ihr Signal blies. Ein wirklich beeindruckendes Erlebnis, das mir sicherlich noch lange in Erinnerung bleibt …
Meine Tochter und ich stehen am Fuße der St. Lambertikirche in Münster und warten auf die Türmerin, mit der ich zuvor per E-Mail in Kontakt war und dieses Treffen vereinbart habe.
Gemeinsam mit ihr auf den Turm der St. Lambertikirche zu steigen und sie bei ihrer Arbeit beobachten zu dürfen ist wirklich eine sehr große Ehre, die sonst nur Staatsgästen zuteil wird! Um so mehr freuen wir uns natürlich auf dieses Treffen und sind … ja das muss ich sagen, auch ein klein wenig aufgeregt.

„Ihr seid also mein Bind-Date?!“, ruft uns plötzlich eine lachende Stimme zu, die von einer rasant anbrausenden Radfahrerin kommt. Gleich erkenne ich die Türmerin Martje Salje, die mir auf Anhieb megasympathisch ist. Eine kurze aber herzliche Begrüßung und schon schließt sie die hölzerne Tür zum Turm auf und wir beginnen mit dem Aufstieg von 300 (!) Stufen. Vorsichtshalber reihe ich mich gleich zum Schluss ein, damit ich niemanden aufhalte, falls ich unterwegs mal schlappmache. 😉
Aber Martje Salje ist die perfekte Gastgeberin. Sie plaudert und erzählt uns interessante Details über St. Lamberti, macht hier ein Scherzchen und dort ein Päuschen und so merke ich die Anzahl der Stufen überhaupt nicht und plötzlich stehen wir mitten in der Türmerstube.

Whow!!! Der Aufstieg über die immer schmaler werdende Wendeltreppe, einmal den Wiedertäufer-Käfigen so nah zu sein und dann noch diese hübsche, witzige und vor Energie nur so sprühende Tümerin – all das fasziniert mich. Das Reisen hat mir wirklich schon viele besondere Momente beschert, aber das ist wirklich ein ganz besonderes Treffen, für das ich sehr dankbar bin!
Gemeinsam mit Martje Salje sitzen wir in der Türmerstube und sie erzählt uns über ihre Berufung zur Türmerin, über ihre Pläne und über Türmergeschichten aus der Vergangenheit.

Währenddessen kommt meiner Tochter eine ganz praktische Frage in den Sinn: „Wie sind denn eigentlich all die Möbel hier auf den Turm gekommen?“ Martje lacht in ihrer herzlichen Art und hat auch hierzu gleich ein paar Geschichten auf Lager … sie erzählt von Möbelbestellungen an die Adresse von St. Lamberti, von hilfreichen Kränen und ganz pragmatischen Methoden der Möbelentsorgung.
Die Zeit vergeht im Flug und plötzlich macht Martje uns darauf aufmerksam, dass es Zeit wird, auf den „Balkon“ zu gehen und den Rundgang zu beginnen. Die Türmerin ist tatsächlich direkt mit der Feuerwehr verbunden, um diese im Falle eines Brandes schnellstmöglich in Kenntnis zu setzen.

Dann gibt sie ihr erste Signal und ich bekomme eine Gänsehaut, so spannend ist das hier oben alles! Nach dem Signal tut sie etwas, was mich wirklich restlos von dieser Frau überzeugt. Sie steigt kurzerhand auf die Balustrade und winkt den Menschen, die unten vor der St. Lambertikirche stehen. Freudig winken diese zurück und freuen sich, die Türmerin zu Gesicht bekommen zu haben. Da erst wird mir bewusst, dass dieser Beruf weit mehr ist, als eine nostalgische Überlieferung.

Die Türmerin ist ein Wahrzeichen dieser Stadt, mit ihr fühlen sich die Menschen verbunden. Martje Salje ist zu einem wichtigen und wie ich finde äußerst liebenswerten Teil von Münster geworden, ein Stückchen Kultur, dass die Seele dieser Stadt zeigt. Die Menschen lieben ihre Türmerin und sie liebt ihre Münsteraner.
Am nächsten Signalpunkt wieder eine Geschichte, die genau diesen Eindruck noch einmal bestätigt. „Hier“, sagt Sie, „muss ich ein wenig länger winken. Dort drüben ist ein Seniorenstift und da wohnt eine alte Dame, die jeden Abend auf mein Signal wartet. Dann sitzt sie mit ihrem Fernglas in der Hand dort und sieht mich winken. Sie winkt zurück und erst dann kann sie ins Bett gehen.“ Mir kommen fast die Tränen. Gerne würde ich mit der alten Dame sprechen, denn ich kann mir gut vorstellen, wieviel ihr dieses allabendliche Ritual bedeuten mag. Und Martje? … Sie macht es mit einer Hingabe und einem Enthusiasmus, der wohl ihr ganzes Wesen kennzeichnet und einfach nur wunderschön zu beobachten ist!

Als meine Tochter und ich den Turm wieder hinabgestiegen sind, um mit dem Abendzug nach Hause zu fahren, winkt uns die Türmerin ebenfalls zu. Wir winken natürlich zurück, aber ein wenig wundere ich mich doch, dass sie anscheinend gar nicht mehr damit aufhören will. Da ich nicht riskieren möchte den Zug zu verpassen drehe ich mich irgendwann um und gehe weiter. Dann klingelt mein Handy … „Wo seid ihr?“ „Wir stehen gerade vor dem Hotel H4.“ „Ihr seid in die falsche Richtung gegangen und ich habe noch versucht euch in die andere Richtung zu winken …“ Muss ich mehr erzählen?! 😉
Münster hat mit Martje Salje eine würdige Besetzung für den Posten des Türmers gefunden, mit ihr hat eine sympathische Vertreterin der Stadt in den Turm der St. Lampertikirche Einzug gehalten. Nicht umsonst hat mir ein vorbeifahrender Radfahrer aufgeregt zugerufen: „Habt ihr sie gesehen? Konnte man sie sehen, oben auf dem Turm?“
„Ja haben wir und wir sind ebenso begeistert!“

Wenn Ihr also das nächste Mal nach Münster fahrt und in den Abendstunden an St. Lamberti vorbeikommt, dann solltet Ihr unbedingt nach Ihr Ausschau halten und mit ein wenig Glück könnt Ihr sie sogar vom Turm herab winken sehen, denn das macht sie nach jedem Signal so, zur Freude einer älteren Dame und aller Passanten, die nachts durch die Straßen von Münster schlendern …

Ich wünsche Euch viel Spaß und freue mich, wenn Ihr mir über Eure Münstererlebnisse berichtet!

Es grüßt Euch herzlich Eure

Monika!